Vom Oh jeh 🙁 zum Ach ja! 🙂

von | 1. März 2021

Anleitung zur Bewältigung von eigenen Krisen

  • Wut raus lassen, scheitern anerkennen
  • Spüren was noch ist, Gefühle wahrnehmen
  • Kraft bei den Menschen holen, die unterstützen
  • Energie auf das Gute in der Situation lenken
  • Die Frage nach der Erkenntnis aus der Situation und die anschließende Entscheidung
  • Vertrauen in die eigenen Stärken

Wegen der leicht depressiven Stimmung, die ich gerade bei vielen wahrnehme, könnte ich in meiner Kolumne etwas dazu schreiben, wie eine eigene Krisenintervention gehen kann. So habe ich mir das gedacht und vielleicht hilft es…
Bei mir ist es so: Wenn was passiert, was unfair, gemein, böse oder für mich nicht akzeptabel ist, dann haut mich dieses Ereignis einfach erst einmal weg. Ich bin sprachlos, fassungslos und völlig irritiert. Mein Werteverständnis kann das erst einmal nicht einsortieren.

Ein Beispiel dazu habe ich im Rahmen meiner Selbstständigkeit erlebt, als ich mit einer Bekannten eine gemeinsame Büronutzung geplant hatte. Es hörte sich in den ersten Gesprächen alles zukunftsgerichtet und spannend an. Ein Büroraum für Beratung zu zweit. Da für den Einstieg in die Selbstständigkeit ein Büro für eine alleine zu kostspielig war, wollten und haben wir uns die Kosten anteilig geteilt. Wir machen das gemeinsam – das war der Plan.
Gemeinsam, das hatten wir also vereinbart. Nach 2 Monaten renovieren, einrichten und Austausch wollten wir beide die Räumlichkeiten nutzen. Uns war klar, erst einmal muss in Akquise investiert werden, bis die Einnahmen generiert werden. Diese Zeit wurde dann der Bekannten zu lang. Sie kündigte mir an, den Schlüssel in den Briefkasten zu werfen. Sie wäre dann mal raus. Der Austausch nach dem einseitigen Ausstieg war anstrengend, irritierend und einfach nur ärgerlich.
Die Situation hatte mich sprachlos gemacht. Die nächsten Tage habe ich überwiegend mit Ärger und Fassungslosigkeit verbracht. Es beschäftigten mich dann Gedanken über unfaires Verhalten, unakzeptables Verhalten, merkwürdige Persönlichkeit, Unsicherheit über meine eigene geschäftliche Zukunft und warum soll das jetzt so sein? Ängste, die sich entwickelten über die Last der Verantwortung, die auf mich einstürzt. Der Gedanke, die Kosten auf vier Beinen zu tragen, fühlte sich leichter an. Aber auf zwei meinen zwei Beinen? Am nächsten Tag spielte meine Verdauung verrückt. Es kann sein, das Ganze musste erst verdaut werden?

Ich war ordentlich wütend, aber nach der ersten Aufregung kam ein Gefühl der Erleichterung. Meine Vertragspartnerin schien im Nachhinein tatsächlich merkwürdig zu sein. Sie war irgendwie unflexibel, stark fokussiert, wenig freudvoll und offen. Ich hatte mich zu Beginn unserer gemeinsamen Idee über ihre andere Art gefreut. Damit waren wir gegensätzlich und ich hatte dies als hilfreiche Ergänzung gesehen. Ich habe mich getäuscht und bin zu vertrauensvoll gewesen. Das hat mich einiges gekostet. Emotional und finanziell.

Nach einiger Eigenreflektion hatte ich die Erkenntnis:
Die andere war weg und der damit empfundene Ballast, ich bin frei, selbstbestimmt und habe einen eigenen Beratungsraum. Dieser Raum kann allein mit meiner positiven Haltung und Arbeit gefüllt werden.
Ich kann meine Intervention in der Krise sehen, wenn ich mir nachfolgende Fragen bewusst mache:

1. Was ist hinter der Wut? (Wut deckt die Gefühle, die dahinterliegen zu)
2. Sind da noch mehr Gefühle? (Hilflosigkeit, Trauer…)
3. Wofür sind die Gefühle da? Sie wollen gefühlt werden und gewürdigt.
4. Wenn das alles raus ist und gefühlt wurde, dann kann ich fragen: Wofür war das Erlebnis dienlich? Wozu war diese Herausforderung gut?
5. Wenn ich all das erkenne, dann kann ich Frieden schließen mit der Situation und eine positive Ausrichtung nach einer Krise beginnen.
In meinem Fall kann ich mich fragen: Dienten die Handlungen vor der Krise meiner Entwicklung, also wozu war die Erfahrung gut?

Die Erkenntnis: Ich brauchte die Planung zu zweit, um überhaupt den Mut zu haben die Räumlichkeiten anzumieten. Hätte ich alleine die Praxis gemietet? Wahrscheinlich nicht.
Für mich habe ich nach der anfänglichen Wut den Blick darauf gerichtet, was mir die Praxis bedeutet und dass ich den Weg zu Beginn zu zweit gebraucht habe. Im Anschluss an das ärgerliche Ereignis kann ich meine Aufmerksamkeit auf das, was mir wichtig ist richten meine eigene Räumlichkeit genießen. Das ist meine wertvolle Erkenntnis aus der Situation, die mich gestärkt hat.
Viel Erfolg beim Ausprobieren 🙂

Dieser Artikel erscheint ebenfalls im GESUNDHEITS KOMPASS Südwestfalen (Magazin der Siegener Zeitung)

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